In den Bornheimer Maaren werden verschiedene Morphospezies von Spirostomum spp. gefunden. Ausgehend von der Beobachtung, dass man teilweise bis zu drei verschiedene Formen des Artenkomplexes Spirostomum minus in der gleichen Probe findet, wurden in 2019 mit näheren Untersuchung an diesen speziellen Arten begonnen. Hierzu werden seitdem Funde vereinzelt und in Kulturen gehalten für detaillierte Untersuchungen.

Bestimmungsschlüssel

Boscaro et al. (2014) veröffentlichten zu Spirostomum spp. unlängst eine Revision mit den ihrer Meinung nach heute anerkannten Spirostomum Arten. Demnach werden heute 8 gültige Spirostomum Arten unterschieden. Darunter auch die Artenkomplexe Sp. ambiguum und Sp. minus.

Hinweise zu den Artbeschreibungen
Spirostomum Arten kommen oftmals in Gesellschaft weiterer Arten daher. Ich habe für einzelne Sumpflöcher schon bis zu vier verschiedene morphologisch unterschiedliche Arten in einer einzigen Probe von 150 ml Volumen gefunden. Die genaue Bestimmung der verschiedenen Arten ist daher unerläßlich, ohne Vorkenntnis jedoch nicht möglich. Daher habe ich mich entschlossen diesen Artenschlüssel hier in Anlehnung an eine Übersetzung der Originalarbeit zu veröffentlichen. Spirostomum kann bei guter Ernährung weißlich, im Durchlicht jedoch undurchsichtig wirken. Spirostomum Arten erscheinen im Durchlicht meist hyalin oder grau bis "bräunlich" gefärbt. Es handelt sich hier um einen optischen Effekt, der auch von der Beleuchtung abhängen kann. Die einzige bislang bekannte, farbige Art ist Sp. semivirescens. Sp. teres kann gelegentlich mit gefressenen Grünalgen angefüllt grün erscheinen. Es besteht daher eine gewisse Gefahr der Verwechslung mit Sp. semivirescens. Dicht unter der Pellicula befindet sich eine feine Granula in Reihen, die arttypisch ist, darunter befindet sich eine mehr statistisch verteilte gröbere Granula. Man sollte versuchen auf die Oberfläche zu fokussieren, um die Reihen der feinen, pelliculären Granula abzuzählen, siehe auch Abbildung unten. Ich habe die Beschreibungen von Boscaro et al. (2014) hier nach Größe sortiert, um die Bestimmung zu vereinfachen. Große Arten sind meist 1 mm groß (oder größer), kleine Arten nur halb so groß. Generell sollte man bei der Bestimmung der Größe mehrere Exemplare unter dem Mikroskop haben und die größeren zu Rate ziehen, da Zellteilungen gerade bei Spirostomum, die gut im Futter stehen, nicht selten vorkommen.

Fehlidentifikation eines gerade geteilten Exemplars mit halber Länge sind wahrscheinlich, längere Exemplare ebenfalls. Ich selbst hielt Teilungen von Sp. ambiguum schon irrtümlich für einen Sp. minus. Umgekehrt war ich überrascht einen Spirostomum in Kultur zu nehmen, von dem ich annahm, es sei eine kurz zuvor erfolgte Teilung von knapp 200-300µm Länge. Letzterer entpuppte sich in Kultur als eine eigene Art mit stabiler Größe, welche bis heute keiner der bekannten Arten zuzuordnen ist. Auch hier lehrt einen die Erfahrung. Experimente mit Kulturansätzen sind zu einem wichtigen Werkzeug geworden, um Klarheit zu gewinnen über gefundene Morphospezies, deren Übergangsstadien im Zellzyklus und sogar neue Arten. Kopulationen von Spirostomum sind übrigens nicht so selten, wie man glaubt. Gerade in den Habitaten, in denen sie vorkommen, sind Kopulationen nach Rehydrierung eines ausgetrockneten Sumpflochs eher wahrscheinlich. Gleiches gilt für neu angelegte Kulturen innerhalb der ersten Woche(n).

Beschreibung der Arten

Spirostomum ambiguum (Ehrenberg, 1834) ist sicherlich die bislang größte, bekannte Art, hat typischerweise eine Länge von 1-2 mm, bis 4 mm wurden berichtet, und ist kaum zu übersehen. Das Verhältnis Länge:Breite beträgt etwa 9-17. Dieser im "Wassertropfen" als "Sumpfwurm" bezeichnete Einzeller wirbelt im Präparat alles durcheinander. Die Art besitzt einen moniliformen Macronucleus mit 15-25 Noduln. Den Noduln sind meiner Erfahrung nach 1-2 Micronuclei angelagert. Das Peristom misst typisch 70% der Körperlänge. 4-5 Reihen pelliculärer Granula. Es gibt eine gewisse Variabilität in der Körperlänge und es wird angenommen, dass es sich eventuell um einen Artenkomplex handelt. Boscaro (2014) erwähnt eine Farbe. Meiner Erfahrung nach ist Sp. ambiguum meist recht undurchsichtig, erscheint in der Stereolupe weiß, im Durchlicht jedoch eher undurchsichtig bräunlich (ein optischer Effekt, keine Farbe). Gerade geteilte Exemplare können evtl. hyalin wirken und für eine andere Art gehalten werden. Sp. ambiguum wurde von mir bereits in einer gelben Form beobachtet (Stereolupe, nacktes Auge), die sich mit der Jahreszeit in eine weißliche Form verwandelte. Solche weißen oder gelben Exemplare wirken mit Mikroskopobjektiven im Hellfeld oft "bräunlich" gefärbt.

Spirostomum subtilis sp. n. (Boscaro et al. 2014): Länge um 700-1000 µm; Verhältnis Länge:Breite beträgt 14-24. Sp. subtilis besitzt ebenfalls einen moniliformen Macronucleus mit 15-24 Noduln. Das Peristom misst typisch nur 50% der Körperlänge. Die Art hat eine auffällig große kontraktile Vakuole (bis 1/3 der Körperlänge). Es bleibt unklar, ob es sich bei diesen beiden Exemplaren um Sp. subtilis(?) handeln kann. Sie konnten damals nicht in Kultur genommen werden. Vermutlich muss dies inzwischen revidiert werden und die gefundene Art als Sp. minus einsortiert werden. Weitere Klarheit müssen neue Funde und genetische Untersuchungen bringen.

Spirostomum semivirescens (Perty, 1852): Länge zwischen 600-2.000 µm meist um 1,2 mm. Die bislang einzige bekannte Art, welche Zoochlorellen besitzt. Moniliformer Macronucleus mit etwa 12 Noduln. Achtung Verwechslungsgefahr: Manchmal fressen andere Spirostomum Arten ebenfalls kleine Grünalgen, z.B. Sp. teres (siehe unten).

Die folgenden, kleineren Arten besitzen eine ähnliche Größe, besondere Aufmerksamkeit gilt daher vor allem der Form des Zellkerns, der Granula und dem Hinterende.

Spirostomum minus (Roux, 1901) bezeichnet einen Artenkomplex mit gewisserer Formvariabilität. Körperlänge um 600 µm. Arten, die diesem Komplex genetisch zugeordnet werden, haben ebenfalls einen moniliformen Zellkern mit 5-25 Noduln. Nach meiner Beobachtung besteht bei einer der Varianten, die ich beobachtete, eine gewisse Neigung, dass die Anzahl der Kernpakete bei Quetschpräparation abnehmen kann. Aus der originalen Beschreibung von Roux könnte man auch ablesen, dass er eventuell junge, frisch geteilte Sp. ambiguum beobachtete. Im Gegensatz zu Sp. minus, welcher eher schlank erscheint, kommen Sp. ambiguum nach meiner eigenen Beobachtung kurz nach der Teilung eher "robust" und dicklich daher und erscheinen gegenüber den ausgewachsenen Exemplaren bisweilen eher transparent. Man beobachtet dann eine Verlagerung der DNA Pakete innerhalb der Kernmembran, so, als würde man eine Wurstkette von einem Ende her pressen. Micronuclei werden als länglich beschrieben (1,5-3,5 µm). Das Peristom ragt etwa bis zur Hälfte der Körperlänge, misst also typisch 50% der Körperlänge. Pelliculäre Granula mit 2-4 Reihen.

Spirostomum teres (Cláparéde & Lachmann, 1858-1859): Länge um 400-600 µm. Diese Art besitzt einen ovoiden, kompakten Macronucleus dem typischerweise 2-3 Mi angelagert sind. Auf ersten Blick ist Sp. teres mit Sp. minus aufgrund der ähnlichen Größe zu verwechseln. Der ovoide Macronucleus ist im Hellfeld jedoch bereits deutlich als "Blase", etwa in der Körpermitte zu erkennen. Sp. teres wird von Boscaro (2014) als bräunlich beschrieben. Die Exemplare, die ich bislang an verschiedenen Fundstellen fand, waren jedoch eher hyalin (weiß, durchsichtig).

Spirostomum caudatum ((Müller, 1786; Delphy, 1939). Körperlänge bis 700 µm, meist 200-400 µm. Die Art besitzt einen ovoiden Macronucleus. Im Gegensatz zu Sp. teres besitzt diese Art hat einen schlankes Hinterende. Daher der Beiname caudatus, "geschwänzt". Ich habe die Art mit eigenen Augen noch nicht gesehen, ältere Zeichnungen von Penard (1922), Kahl (1932) und anderen sind jedoch im "Ciliatenatlas" wiedergegeben (Foissner et al. 1992).

Spirostomum dharwarensis (Desai, 1966): Länge um 400 µm. Die Art besitzt einen filiformen Macronucleus. Diese Art wurde bislang für Indien und Afrika beschrieben. Es wäre interessant, ob man sie auch in Europa findet.

Spirostomum yagiui (Shigenaka, 1959): Länge um 400 µm. Die Art besitzt einen langgezogenen Macronucleus. Es handelt sich um eine Brackwasserform (Mittelmeer Inseln, Nordeuropa, Russland).


Literatur

  • Boscaro, V., Carducci, D., Barbieri, G., Senra, M. V., Andreoli, I., Erra, F., ... & Fokin, S. I. (2014). Focusing on genera to improve species identification: revised systematics of the ciliate Spirostomum. Protist, 165(4), 527-541.
  • Foissner, W. et al., 1992. Taxonomische und ökologische Revision der Ciliaten des Saprobiensystems, Informationsberichte des Bayer. Landesamts f. Wasserwirtschaft. Band 2.
  • Prescott, D. M., 1994. The DNA of ciliated protozoa. Microbiol. Mol. Biol. Rev., 58(2), 233-267.
 
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