50 Jahre Mikroskopieren in Inzigkofen
Text: Thilo Bauer
Bilder: Michael Miedaner (aus dem Fundus Inzigkofen), Herr Höscheler, Rainer Teubner und Thilo Bauer, .
„Den ersten Kurs „Mikroskopieren“ im Volkshochschulheim Inzigkofen führten wir in 1971 durch; …"
So steht es geschrieben in der Zeitschrift Mikrokosmos aus dem Jahr 1978 zum 70. Geburtstag von Dr. Dieter Krauter. Auch in 2021 fand in historischem Ambiente wieder „Mikroskopieren ein Workshop für Amateure“ statt. Das neue Konzept des Kurses steht unter der Leitung von Dr. Michael Miedaner. Doch anstelle eines Jubiläums hätte es beinahe das Aus für den geplanten Workshop und die VHS bedeutet. Die organisatorischen Hürden waren in Zeiten der Pandemie besonders hoch. Das gesamte Programm der VHS und ihre Existenz standen auf der Kippe zur Undurchführbarkeit. Der Beharrlichkeit von Iris Kick ist es wohl zu verdanken, dass der Workshop wie geplant stattfinden konnte. So bleibt 2021 in mehrfacher Hinsicht ein denkwürdiges Jahr für die Mikroskopie.
Auch in 2021 war die Zusammenkunft der Amateure an historischer Stätte ein internationales Treffen von Amateuren aus Deutschland, Schweden, den Niederlanden, der Schweiz. Wie es der Zufall wollte, trafen wir Herrn Höscheler, der, heute 84 Jahre alt ist. Er berichtete humorvoll zurück blickend über den einzigen Mikroskopierkurs, den er selbst besuchte im Jahr 1979, damals geführt unter der Leitung der Herren Streble und Krauter. Dieses Ereignis hat wohl eine solch nachhaltige Wirkung hinterlassen, so dass Herr Höscheler bis zum heutigen Tag selbst Schüler in der Mikroskopie anleitet.
Foto: Ein Zeitzeuge berichtet über seinen Kurs im Jahre 1979 mit Dieter Krauter und Heinz Streble.
Das Programm wurde auch in diesem Jahr zum größten Teil aus den Reihen der Teilnehmern gestaltet. "Speed Microscopy“, so könnte man scherzhaft den Auftakt betiteln. Hubert Ott zeigte, wie man rasch einfache Präparate erstellt. Ungewöhnliche Einblicke und Aufsichten auf Stängel, Blätter und Knollen von verschiedenen Pflanzen – eine gewohnt herrliche Aufwärmübung mit dem Mikroskop. Am Dienstag Morgen hatten die Teilnehmer dann Gelegenheit die erlernte Fingerfertigkeit an den kleinsten Laubpflanzen zu vervollkommnen. Hubert Ott führte in die diffizile Präparation der Moose ein. Am Nachmittag konnten die Teilnehmer mit Thilo Bauer einen tiefen Blick in das Innerste der Zellen werfen. Mitochondrien, die kleinen Energiefabriken der Zellen standen auf dem Programm. Die erstaunliche Erkenntnis, dass man die Membranen der Mitochondrien heute bereits mit dem Lichtmikroskop sichtbar machen kann bildete den Höhepunkt des Vortrags. Anschließend konnten die Teilnehmer mit schiefer Beleuchtung, Phasenkontrast und der Färbung mit Janusgrün die Mitochondrien in Zwiebelzellen und Einzellern selbst erkunden. Der Abend stand für freies Mikroskopieren und einen wie immer gemütlichen Ausklang zur Verfügung.
Foto: Hubert Ott und Mikroskopie einfacher Präparate.
Foto: Atemöffnung eines Moosblättchens, Freihandschnitt.
Foto: Eine Grünalge aus dem Klosterteich Inzigkofen; Mitochondrien sind hier grün gefärbt mit dem Fluoreszenzmikroskop sichtbar.
Am Mittwoch hatte der Workshop einen Gast: Karlheinz Baumann, Naturfilmer und Koautor eines dreibändigen Standardwerks, bot interessante Einblicke in die Wunderwelt der Mycomyceten, im Deutschen auch "Schleimpilze" genannt. Der „Blob“, wissenschaftlich Physarum polycephalum genannt, ist wohl einer der bekanntesten Vertreter dieser gefräßigen Lebewesen und ihrer kuriosen Fortpflanzung und Bewegung. Obacht bei der Haltung zuhause: Diese übergroßen, einzelligen Lebewesen büchsen gerne aus auf der Suche nach neuer Nahrung! Zahlreiche mitgebrachte Proben aus der Sammlung von Herrn Baumann konnten über den Tag mit dem Stemi erkundet werden. Am Nachmittag ging es dann hinaus in die Natur zum Sammeln von Proben. Noch am selben Abend hieß es dann unter kundiger Führung von Rainer Teubner: Kittel an und Schutzbrille auf! Wir präparieren Kieselalgen aus der Donau! Mit einer ungewöhnlichen Präparation mittels Chlorbleiche ging es dann an das Aufreinigen von Aufwuchs zur Präparation der Kieselalgen.
Foto: Winzige Fruchtkörper bilden die Sporenkapseln der gefräßigen "Schleimpilze".
Foto: Rainer Teubner und seine Assistenten gedresst und gewappnet.
Foto: Aufreinigen der Kieselalgen mit der Handzentrifuge.
Foto: Kieselalgenpräparat im differentiellen Interferenzkontrast (Foto: Rainer Teubner).
Am Donnerstag Morgen führte Rolf Wellinghorst in die Gewässerökologie ein. Im Anschluss gab es eine kurze Fortsetzung der Präparation der Kieselalgen, die zuvor präparierten Kieselalgenpräparate wurden nun eingedeckt. Der Nachmittag stand unter einem weiteren interessanten Thema. Claudia Külling und Hans van Eijk aus den Niederlanden führten die Teilnehmer in die Präparation der Mycorrhiza ein. Mycorrhiza sind Pilze, die in Symbiose mit dem Wurzelsystem der Pflanzen leben. Diese Symbiose scheint in einigen Belangen deutlich effizienter als eine künstliche Düngung kultivierter Pflanzen! Der Abend bot wieder Unterhaltsames aus der Präparatewelt von Michael Miedaner. Die Teilnehmer konnten einen histologischen Schnitt selbst färben und eindecken nach der Methode der Van-Gieson-Färbung. Anschließend wurde gemeinsam erarbeitet, was hier eigentlich zu sehen ist.
Foto: Rolf Wellinghorst bei der Einführung in die Gewässerökologie.
Foto: Claudia Külling bei der Vorbereitung von mikroskopischen Proben der Mycorrhiza.
Foto: Mycorrhiza, gesammelte, fixierte und gefärbte Proben aus dem Freiland.
Am Freitag Morgen ging es unter der kundigen Führung von Rolf Wellinghorst an die Auswertung gesammelter Plankton Proben aus der Donau und dem Klosterteich. Diesmal wurden die Tiere gezählt, um hieraus einen Gütefaktor der Gewässer herzuleiten. Den Abschluss bildete Reiner Mehnert mit einem Exkurs in die Welt der Stereomikroskope und anderer Umbauten.
Mikroskopieren in Inzigkofen von und für Amateure bietet Workshops auf hohem Niveau und mit großem Unterhaltungswert. Es bleibt zu hoffen, dass uns diese Veranstaltung auf lange Sicht weiterhin erhalten bleibt.
Foto: Histologischer Schnitt durch einen Kaninchenhoden.
Foto: Reiner Mehnert bei der Präsentation verschiedener Mikroskope und Umbauten.