Einführung

Stylonychia mytilus bezeichnet einen Arten-Komplex innerhalb der Wimpertiere aus der artenreichen Familie der Hypotricha (Phylum: Cilophora), der aus mindestens zwei genetisch verschiedenen Arten besteht: S. mytilus und S. lemnae (Berger, 1999).

Bestimmung der Art & Fluoreszenzfärbung

Typisch für Hypotricha sind ihre Cirren. Cirren sind Bündel von Cilien, die sie auch zur Fortbewegung nutzen und ihnen den Beinamen "Lauftierchen" einbrachten. Dass es sich bei den Cirren um Bündel feiner Cilien handelt, kann man im Lichtmikroskop mit einem guten Objektiv ab Vergrößerung 40x bereits erkennen. Die Cirren erscheinen an ihrem Ende meist zerfasert. Erschwert ist die Bestimmung oft jedoch durch die hohe Vermehrungsrate und die Teilungsfiguren der Hypotricha, bei denen eine allmähliche Verlagerung der neu gebildeten Cirren während der Zellteilung eine exakte Bestimmung manchmal sehr schwierig macht. Insbesondere in gesammelten Proben und mehrgliedrigen Kulturen sind durch hohe Vermehrungsrate oft viele Teilungen zu beobachten. Hypotricha sind bei schwacher Vergrößerung schon im Stereomikroskop zu erkennen an ihrer unruhigen Bewegung, bei der sie sich meist ruckartig vorwärts und rückwärts bewegen.

Stylonychia mytilus ist innerhalb der Hypotricha vergleichsweise einfach zu bestimmen. Stylonychia mytilus ist mit 100-400 µm meist ein auffällig großer Ciliat. Ein breiter Kopf ragt, von der Bauchseite her betrachtet, mitsamt der adoralen Membranellenzone (AZM) deutlich nach rechts über (Abb. 1). Bei besonders großen Exemplaren (>300 µm) sind Kopf und die Frontalcirren besonders auffällig ausladend. Die Flanken sind meist parallel bis leicht konisch. Bei niedriger Vergrößerung im Stereomikroskop erscheinen die Tiere nahezu rechteckig. In der Quetschpräparation erscheinen Stylonychia mytilus eher eiförmig, die typische Form verschwindet, so dass sie in dieser Haltung nicht mehr gut zu bestimmen sind. Für eine einwandfreie Identifikation sind daher neben Quetschpräparaten, die die Anordnung der Cirren wiedergeben, auch Abbildungen frei schwimmender Exemplare wichtig.

Die Anordnung der weiteren Frontal-, Ventral-, Transversal- und Caudalcirren ist charakteristisch für Arten der Hypotricha. Berger (1999) stellt verschiedene Zeichnungen anderer Autoren gegenüber, die aufgrund von subtilen Unterschieden der Anordnung der Cirren verwirren können. Bestimmte Oxytricha Arten, wie Stylonychia, besitzen drei charakteristische Caudalcirren, die den Körper deutlich überragen (Abb. 2). Diese sind ein deutliches Charakteristikum für Stylonychia. Die genauere Betrachtung zeigt ferner zwei Marginalreihen von Cirren, die am Besten von der Bauchseite her links und rechts erkennbar sind.

Beobachtungen der Nuclei (Zellkerne) sind im Hellfeld bei gut ernährten Exemplaren nicht immer sicher von anderen Organellen zu unterscheiden. Ciliaten besitzen einen Kerndualismus, also zwei Arten von Zellkernen: Macronuclei und Micronuclei. Zu den Micronuclei ist bislang wenig geschrieben worden. In den Exemplaren der von mir beprobte Habitate finde ich in der Regel je einen recht großen Micronucleus nahe bei jedem der beiden Macronuclei. Dies zeigt erst die Fluoreszenzaufnahme sehr deutlich.

In der zweiten Abbildung werden bei diesem Exemplar die kurzen dorsalen Cilien am unteren Ende noch deutlich, die wie kleine Dornfortsätze in sechs Reihen etwas diagonal über den Rücken verlaufend angeordnet sind und scheinbar aus dem unscharfen Bild auftauchen. Diese sind nicht nur beim S. mytilus Komplex bestimmende Artmerkmale. Hier sei auf die Möglichkeit der Differenzierung von S. lemnae innerhalb des S. mytilus Komplex hingewiesen, deren dorsale "Borsten" (dorsal: auf dem Rücken) nach Foissner (1991) weniger stark gebeugt erscheinen. Solche Beobachtung und Fotografie erfordert jedoch einige Erfahrung. Demgegenüber steht jedoch der Bestimmungsschlüssel von Helmut Berger (1999), der zwischen dem S. mytilus Komplex und S. lemnae in seinem Artenschlüssel weiter unterscheidet. Das wichtige Kriterium, für diese Unterscheidung ist der Unterschied der Gensequenzen für S. mytilus und S. lemnae. Das wichtige, optisch sichtbare Kriterium ist wohl die Anzahl der dorsalen Kinetien, mit anderen Worten die Zahl der "Cilien" der (mittleren) dorsalen Reihen 3 und 4, die bei S. lemnae geringer ist.

AZM: Adorale Membranellenzone
CC: Caudalcirren
cV: kontraktile Vakuole
DC: Dorsale Cilien
FC: Frontalcirren
MC: Marginalcirren (=randliche Cirren)
Ma: Macronucleus
Mi: Micronucleus
Ph: Phagosom
UM: Undulierende Membran

Abbildung 1: Sytlonychia mytilus (lemnae?) frei schwimmendes Individuum von der Bauchseite her betrachtet.

Abbildung 2: Stylonychia mytilus (lemnae?) von der Bauchseite her betrachtet mit Fokus auf die Zellkerne. Das Tier liegt diagonal im Raum, so dass man hier durch es hindurch blickend die dorsalen Cilien (DC) erkennen kann. Seitlich (links im Bild) ist eine feine Reihe weiterer kurzer Cilien zu erkennen. 

Abbildung 3: Stylonychia mytilus (lemnae?) in Fluoreszenz mit Doppelfärbung Hoechst 33342 und Acridinorange. Gut erkennbar sind die beiden verschiedenen Typen von Zellkernen, die Macronuclei und jeweils ein anliegender Micronucleus.

Aufnahmedaten

Aufnahmen mit Zeiss Axio Lab.A1 FL-LED, Objektiv Zeiss C-Apochromat 40x/1,2 W, Kondensor 1,2 und Wasserimmersion. Hellfeld: Optimale schiefe Beleuchtung. Fluoreszenzaufnahme: Doppelfärbung mit Ho342 und Acridinorange, Triple-Band-Filtersatz F66-412, UV Anregung 385 nm. Kamera: Canon EOS 77D.

Literatur

Berger, H., 1999. Monograph of the Oxytrichidae. Kluwer Academic Publishers.

Foissner, W. et al., 1991. Taxonomische und ökologische Revision der Ciliaten des Saprobiensystems.

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